Navigation überspringen

home | aktuelles | info | kontakt | awards | impressum

Kafka oder was?

Dialog mit dem Arbeitsamt:
Unfähigkeit, Berechnung oder "höhere Gewalt"?

"Guten Tag, ich muss mich arbeitslos melden."

"Ja. Kein Problem. Füllen Sie das hier aus, und das, und das. Reichen Sie eine Arbeitsbescheinigung von Ihren letzten zwei Arbeitgebern ein."

Formulare und erste Arbeitsbescheinigung sind eingereicht, zweite Arbeitsbescheinigung per Post angefordert, einige Tage später nachgereicht.

"Bearbeitung dauert vier bis fünf Wochen. Melden Sie sich wieder in sechs Monaten!"

"Ähh ... in sechs MONATEN?"

"Ja. Warum? Wollen Sie etwa öfter kommen?"

" ... "

Einige Wochen, unzählige unbeantwortete Anrufe und eine Mahnung von der Bank später.

"Guten Tag, ich habe mich vor sechs Wochen arbeitslos gemeldet. Bisher kein Bescheid, kein Geld, keine Kommunikation ..."

"Sechs Wochen? Unmöglich!"

"Aber wahr!"

"Hmmm ..." [Computer-Suchlauf] "Tja, guter Mann - Sie haben gar keinen Status. Sie haben nicht alle Dokumente eingereicht!"

"Ahja ... was fehlt denn?"

"Die zweite Arbeitsbescheinigung."

"Nöh, wurde bereits vor fünf Wochen nachgereicht."

"OH? Hmmm ... ja, wo ist sie dann?"

"Das sollten Sie eigentlich wissen!"

"Tja, dann geh ich mal nachschauen ..."

Zehn Minuten später.

"Na so was ... da ist sie ja!"

"Schön. Und jetzt?"

"Ja. Ähmm ... Da muß ich mal mit meinem Vorgesetzen sprechen."

Zehn Minuten später.

"Bis spätestens Ende der Woche werden die ausstehenden Leistungen an Sie überwiesen!"

"Schön."

Eine Woche, unzählige unbeantwortete Anrufe und eine Mitteilung über Beendigung der Krankenversicherung später.
Im Gebäude des Arbeitsamtes — leere Korridore, Kartons, geschlossene Büros. Eine älterer Herr im Blaumann.

"Was wollen Sie denn hier? ... Arbeitsamt? ... Die sind umgezogen!"

Einen Tag später, neues Gebäude, ein Schild im Eingang: "Wegen Renovierung geschlossen!" In einer Turnhalle nebenan ist ein "Notdienst" eingerichtet.

"Was wollen Sie?! Ja Sie sehen doch was hier los ist! Versuchen Sie es nächste Woche wieder!!!"

Mehrere Tage, unzählige unbeantwortete Anrufe und eine Sperrung des Dispokredits später.

"Wo bleibt mein Geld?"

"Moment ..." [Computer-Suchlauf] "Ja! wurde bereits angewiesen!"

Mehrere Tage, unzählige unbeantwortete Anrufe und eine Mahnung vom Vermieter später.

"Laut Ihrer Aussage wurde mein Geld bereits angewiesen. Leider ist es nicht eingetroffen."

"Moment ... [Computer-Suchlauf] "Ja! wurde bereits angewiesen!"

"Wann?"

"Vor zehn Tagen."

"Finden Sie das normal?"

"Was?"

"Dass eine Überweisung zehn Tage dauern soll?"

"Bei welcher Bank sind Sie denn?"

"Mit welchem Computer-Programm arbeiten Sie denn?"

"Werden Sie nicht frech!"

"Ich möchte jetzt wissen, wo mein Geld geblieben ist!"

"Also wirklich ...!" [Computer-Suchlauf] "Ach herrje!!! ... Na, Sie haben aber auch ein Pech!"

"Was denn jetzt?"

"Die Abbuchung wurde vom Computer nicht angenommen. Jaja, das passiert öfter mal ..."

"Super! Bitte geben Sie mir jetzt schriftlich, ab wann ich welche Leistungen zu beziehen habe!"

"Warum?"

"Weil ich mittlerweile nicht nur von Ihnen, sondern auch von meiner Bank terrorisiert werde!"

"Terrorisiert?! Also hören Sie mal! ICH kann Ihnen jedenfalls nichts schriftliches geben!"

"Sie KÖNNEN nicht nur, sie MÜSSEN!"

"ÄHMMM ... Moment, da muß ich mal mit meinem Vorgesetzen sprechen. Bitte warten Sie draussen!"

Dreissig Minuten später.

"Haben Sie mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen?"

"Ja."

"Und?"

"Sie haben einen Termin mit unserer Gruppenleiterin. Bitte warten Sie draussen!"

Eine Stunde später.

"Wer hat hier einen Termin mit mir?"

"ICH!"

"Kommen Sie mal herein!" ... "Worum geht's denn?"

"Seufz ... also ..."

Eine Stunde und unzählige Computer-Suchläufe später.

"Hmmm ... na das ist ja eigenartig ..."

"Stimmt! Und das hätte ich jetzt gerne schriftlich!"

"Ja? Gut ... Ähhh ... Hmmm ... Ja, warten Sie bitte draussen!"

Eine Stunde später.

"Hallo Sie da! Kommen Sie mal her!" ... "So, hier ist das Schreiben für Ihre Bank."

"Und wann darf ich mit einer funktionierenden Überweisung rechnen?"

"Ja brauchen Sie denn so dringend Geld? Naja, ich kann Ihnen einen Vorschuss-Scheck über 500.- DM ausstellen, den können Sie hier an der Kasse einlösen."

"Ich bitte darum."

"Bitte warten Sie!"

Dreissig Minuten später.

"So, hier ist ihr Scheck. Die Kasse ist im vierten Stock."

"Auf Wiedersehen!"

Vierter Stock. An der Tür zur Kasse hängt ein Schild: "Auszahlungen Freitags nur bis 14:00 Uhr".
Leider ist es bereits 15:15 ...

Hundert Tage nach Meldung der Arbeitslosigkeit, Beendigung des Krankenversicherungsverhältnisses, Kündigung des Dispokredits, Androhung der Mietkündigung, Schulden über Schulden, 14 Besuchen beim Arbeitsamt mit insgesamt 46 Stunden Wartezeit und unzähligen unbeantworteten Anrufen ist die erste Zahlung des Arbeitslosengeldes auf dem Konto.

/pa.eng