Terrakotta-Armee revisited
Die Grabanlage des ersten Kaisers der Qin-Dynastie, Shi Huang Di, verteilt sich auf eine Fläche von über 56 Quadratkilometern. Große Teile sind noch unerforscht, die exakte Lage des eigentlichen Grabes ist ungewiß. In über 400 Gruben wurden bisher rund 50.000 künstlerisch und archäologisch wertvolle Gegenstände entdeckt.
Der sensationellste Fund ist die riesige Armee von Tonkriegern. Über 8.000 Soldaten, Kriegspferde und Kampfwagen in straffen Formationen liefern anschauliche und zuverlässige Informationen über die Truppengattungen, Ausrüstung sowie Taktik und Strategie in Chinas alter Zeit.
Die Bauarbeiten fanden 246 v. Chr. ihren Anfang und dauerten 38 Jahre an.
Die berühmteste Schilderung der Grabstätte stammt von Sima Qian, dem größten Historiker Chinas. Er schrieb, daß zum Zeitpunkt höchster Bautätigkeit 700.000 Fron- und Zwangsarbeiter an der Anlage arbeiteten. Der Einsatz an Arbeitskräften und Geld war höher als beim Bau der Cheopspyramide, die Dimensionen ähnlich: Über dem Grab wurde ein 115 Meter hoher pyramidenförmiger Hügel aufgeschüttet.
Die Tonarmee selbst ist ein höchst bemerkenswertes Erbe. Die lebensgroßen Skulpturen sind äußerst detailliert, Generäle, Offiziere und einfache Soldaten lassen sich durch Kleidung, Kopfbedeckung, Ausrüstung, Haltung und Gesichtsausdruck unterscheiden. Jede Figur hat ein eigenes, individuelles Gesicht, unter den tausenden von Tonkriegern wurde kein einziges "Duplikat" gefunden. Experten können an den Gesichtszügen Alter, Charakter, Herkunft und Nationalität der einzelnen Krieger erkennen. Ursprünglich waren die Tonfiguren farbenprächtig bemalt, die Farben sind jedoch nur bei einigen wenigen Figuren erhalten geblieben.
Die Grabanlage ist inzwischen eines der wichtigsten Objekte das staatlichen Kulturdenkmalschutzes und steht darüber hinaus, als einziges in China, auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.
Soviel zu den Fakten - hier nun ein paar persönliche Eindrücke zur Ausstellung ...
Hier in Berlin fand die Ausstellung im ehemaligen "Palast der Republik" statt - ein unglücklich gewählter Ort. Schon von außen ist dieses Gebäude wenig ansprechend, um nicht zu sagen abgrundtief häßlich. Innen ist es noch schlimmer - eine großangelegte Baustelle, die aussieht als ob sich seit langer Zeit niemand darum kümmert. Die Ausstellungsfläche notdürftig begrenzt von schmuddligen schwarzen Tüchern, die immer wieder Lücken aufweisen und so den Blick auf das jämmerliche Baustellenskelett freigeben. Das Ausstellungskonzept, ausgewiesen als "sorgfältig zusammengestellt und konzipiert" von irgendwelchen "Star-Designern" (deren Namen ich vergessen habe) - naja, kümmerlich. Im Eingang ein Stehpult, wo uns das (stattliche) Eintrittsgeld abgeknöpft wird, ein Gang mit einigen wenigen individuellen Exponaten, dann erst mal der große Souvenirstand mit billigen Nachbildungen der Terrakottakrieger und einer irren Ansammlung von China-Kitsch, der nichts mit der Ausstellung zu tun hat - das typische Sortiment, das man auch auf den Berliner Wochenmärkten findet.
In der ersten Halle dann ein miniaturisiertes Modell, zugegebenermaßen beeindruckend, das einen Teil der größten Ausgrabungsstätte darstellt.
Schließlich der Aufstieg über eine grobe Holztreppe zum Highlight der Ausstellung, der eigentlichen Armee. Rund 150 der lebensgroßen Skulpturen sind hier aufgestellt, das Setting der eigentlichen Fundstätte mit riesigen Steinblöcken aus Styropor nachempfunden. Leider kann man nur an drei Außenseiten des Areals entlangwandern - richtig nahe kommt man nur den Figuren in der ersten Reihe. Der Rest verliert sich im Halbdunkel der großen Halle oder ist schlichtweg verborgen hinter den Styropor-Klamotten, egal wie sehr man sich den Hals verrenkt, um doch noch ein paar Details der entfernter stehenden Skulpturen zu erhaschen. Ein gewisser Frust kommt auf.
In einem Neben"zelt" läuft der übliche Film - eine echte Zumutung. Größtenteils besteht er aus Reiterhorden, die man aus einem alten Kung-Fu-Schinken herausgeschnippelt hat, bietet wenig Informationen zur Historie der Terrakotta-Armee und ist zudem in einem Zustand, der auf die 5-Millionste Abspielung hinweist.
In einem Anflug von Großzügigkeit kaufe ich mir beim Hinausgehen den Ausstellungskatalog, der wenigstens eine Menge schöner Bilder enthält. Die Texte, die ich mir erst zuhause in Ruhe durchlesen kann, sind wenig professionell und teilweise schauderhaft übersetzt.
Irgendwie schade ... ich hätte diesem famosen Zeitdokument doch einen etwas würdigeren Rahmen gegönnt.
pa.eng, august.04