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Der kleine Riese

Es war einmal ein kleiner Riese, der hoch oben in den Bergen lebte und dieser kleine Riese hatte viele kleine Zwerge als Untertanen. Die lebten in den Tälern, wo sie ihre Felder bestellten und ihre Dörfer bauten.
Weil der kleine Riese sehr stark war und sie alle beschützte, hatten sie nichts dagegen, ihn zu füttern und mit allem zu versorgen, was er so brauchte.
Nun wurde der kleine Riese aber immer älter und immer mürrischer und immer eigensinniger, und er verlangte immer mehr vom seinen Untertanen. Also begannen manche Zwerge, über den Riesen zu murren.
Als der das hörte, wurde er ein wenig ängstlich und schließlich sehr wütend. Und so machte er sich eines Tages auf und wanderte durch sein Land. Überall wo er jemanden murren hörte, sammelte er ein paar Zwerge um sich und verzauberte sie.
Diese verzauberten Zwerge glaubten dann, sie seien stärker und besser als die anderen, und sie könnten ihnen sagen, was sie zu tun und zu lassen haben.
Die anderen Zwerge lachten natürlich nur darüber, und mit Knüffen und Püffen und Spottliedern jagte man die verzauberten Zwerge zum Lande hinaus.
Doch die rannten mit ihren blaugeschlagenen Augen und Gliedmaßen zum kleinen Riesen und klagten ihm ihr Elend. Der kleine Riese erzürnte sehr und ging in seine Berge. Als er nach einiger Zeit zurückkehrte, brachte er viele Schwerter und Lanzen und Kampfmaschinen für seine verzauberten Lieblinge und er sprach: Geht hin und bestraft die Murrer!
Glücklich zogen die Zauberlehrlinge von dannen und es begann eine böse Zeit für das Zwergenland. Die Zwerge durften nicht für sich selber arbeiten, sondern mußten alles an den kleinen Riesen abtreten. Das Volk der Zwerge wurde immer ärmer und sie mußten immer mehr arbeiten und der kleine Riese wollte immer mehr haben.

So kam es, daß die Zwerge weniger und weniger Zeit füreinander hatten, sie verlernten sogar, miteinander zu sprechen; und langsam starb die Liebe im Zwergenland.
Die Scharen der Zauberlehrlinge jedoch wurden immer größer und immer mächtiger. Sie schüchterten das Zwergenvolk so ein, daß niemand mehr die Augen zu erheben wagte.
Schließlich bauten sie dem kleinen Riesen ein schönes Schloß tief in den Bergen und stellten ihm viele Spielzeuge hinein. So erreichten sie, daß der kleine Riese nie mehr in die Täler kam, wo er ja das Elend seiner Untertanen hätte wahrnehmen müssen.

Das ging so eine sehr lange Zeit, bis das Zwergenvolk sich endlich mit seiner Sklaverei abfand und es bald richtig und normal fand, alles an den kleinen Riesen und seine Zauberlehrlinge abzuliefern; ja, es ging sogar soweit, daß diejenigen, die es nicht richtig fanden, in abgeschlossene Häuser gesteckt oder aufgefressen wurden.
Der kleine Riese war natürlich sehr zufrieden und so beschloß er eines Tages, daß seine Untertanen viele Kinder in die Welt setzen sollten. Er erließ genaue Vorschriften wie die Kinder großgezogen werden müssen, damit er für immer so weiter leben konnte.
Die Kinder durften sich in riesigen Wäldern ergehen und in sauberen Seen und Flüssen baden, doch als sie größer wurden, verkaufte man sie an die Zauberlehrlinge und fremde alte Zwerge und die jungen Zwerge mußten zusehen, wie ihre Wälder immer kleiner wurden und alle Fische in ihren Seen starben. Sie waren sehr unzufrieden, doch sie verloren sich in ihrer Trauer, der Trauer um verlorene Wälder, verlorene Seen, verlorene Liebe, verlorene Hoffnung und Freiheit; und wer zuviel fragte, wurde eingesperrt oder aufgefressen.

So ist es bis heute geblieben - und da weder der kleine Riese noch die verzauberten Zwerge gestorben sind, leben all' die anderen unglücklich bis ans Ende ihrer Tage.

/pa.eng