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X-7. Oder: Mensch ist Robot ist Mensch

Im Kriegsjahr '35 hatte es mich auf Flunis-1 schwer erwischt. Wie blutige Anfänger liefen wir in einen Hinterhalt der Flunesier.

Wir hatten einen InsureBot dabei, der hat dieses Bild gemacht. Und das hat dazu geführt, daß mir jede Versicherungsleistung verweigert wurde. Ungenügende Schutzkleidung, zu leichte Bewaffnung und "mangelhaftes taktisches Verhalten" hieß es in dem Bericht.

Scheiße.

Um zu vermeiden, daß meine LifeSupportSysteme abgeschaltet werden, und um sicherzustellen, daß man mir halbwegs akzeptable Ersatzteile einbaut, mußte ich nochmal für zehn Jahre bei der Legion unterschreiben.

Aber ich lebte ...

Nach dem Krieg von '34 war es langweilig bei den Marines. Keine Action. Die Frauen waren alle steril, die meisten Männer ja auch, Sex mit Extraterrestrians war seit der Alpha7-Konferenz verboten, und überhaupt - alles war irgendwie steril.

Also meldete ich mich für eine Off-Planet Spezialeinheit. Viel Auswahl gab es da nicht, und nach den zwei Jahren Langeweile entschied ich mich für das härteste überhaupt - System Beta-37, ein Felsbrocken am Ende des Universums. Dieser vorgeschobene Posten war eine der Bedingungen der Flunesier bei den Friedensverhandlungen von '36, um diesen Sektor von allem Traffic freizuhalten. Hier schweben die Brutkapseln der Flunesier. Jede Kapsel enthält Energiezellen für etwa 70 Terra-Jahre, sozusagen der heilige Gral für alle Handelsschiffe - und vor allem die Piraten mit den kleineren Schiffen. Eine Kapsel nur - nie mehr Sorgen wegen Treibstoff oder sonstiger Energie!

Tja, so gab es eine Zeit, in der das erklärte Ziel aller Spacer war, eine solche Kapsel zu ergattern. Ziemlich schnell waren die Flunesier vom Aussterben bedroht, schickten eine Taskforce in Richtung terrestrische Union - na, das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist ja bekannt.

Die Kosten für diesen Vorposten sind immens. Er besteht aus 20 Mann, die alle 37 Umdrehungen, etwa 7 Terra-Jahre, ausgetauscht werden. Zwar gibt es auf Beta-37 eine atembare Atmosphäre, man braucht also keinen Schutzanzug, aber die Druckverhältnisse sind ... eigen.

Überleben kann man dort nur mit speziellen Bio-Implantaten und Adrenalin-Verstärkern. Um die zu kontrollieren, braucht man wiederum eine X7-Einheit, wahrscheinlich das teuerste, was in der terrestrischen Union produziert wird. Das war genau das, was ich jetzt brauchte!

X7 - der einzige psycho-reaktive Android im bekannten Universum!

Unter 10 000 Männern gibt es einen, der das verkraften kann. Jeder Kadett wird beim Eintritt in die Legion auf X7-Tauglichkeit geprüft. Ich hatte alle Tests bestanden, den Schritt aber nie gewagt. Er hat so etwas - endgültiges. Doch jetzt? Ich fing gar nicht erst an, mit mir zu debattieren - ich meldete mich auf der Basis, unterschrieb einen Haufen Papier und legte mich in den Tank. Sieben Monate würde es dauern, mein humanoides Selbst im Tiefschlaf, während meine X7-Einheit bis zur letzten Nervenzelle getunt wird. Wenn ich aufwache, werde ich ein neuer Mann sein. Stärker, schneller, smarter, praktisch unzerstörbar ...
und ich werde nie wieder allein sein ...
aber ich werde auch nie wieder Kontrolle besitzen ...
Zweifel ... zu spät ...
kurz vor dem endgültigen wegdriften sehe ich meine X7-Einheit ...
noch ist sie nur eine Hülle ...
aber sie ist so schön ...
ich ...
liebe ...
sie ...

-ping-ping-ping-

Der Zeitgeber weckt mich sanft. Ich fühle mich gut. Cherryll sitzt an dem kleinen Labortisch und überträgt gerade die Daten ihrer Experimente der letzten Nacht.
"Guten Morgen."
Ich gieße mir einen Kaffee ein, setze mich an die Konsole, checke noch einmal die Daten, alles geht nach Plan.
"Eigentlich ist der Flug doch recht schnell vergangen. Ich hab es mir langweiliger vorgestellt."

Cherryll sieht mich an. "Stimmt ... obwohl ... manchmal kann ich mich kaum an unseren Abflug erinnern ..."
Für einen Sekundenbruchteil puckert etwas über meinem linken Auge ...
Aber so war Cherryll schon immer. Seit ich sie kenne.
Ich denke zurück.
Wir haben uns auf der Friedenskonferenz '36 kennengelernt.
'37 haben wir geheiratet.
Seit meinem Ausscheiden aus der Legion - wieder puckert mein linkes Auge - die Legion ... die Legion ...

Der Gedanke bricht auseinander ...

Und Cherryll strahlt mich an.
"Ich bin so froh, daß du die Legion verlassen hast!"

-ping-ping-ping-

"Oops, wir müssen uns für die Landung vorbereiten!"
Es berührt mich eigenartig, wie Cherryll umschalten kann.
Plötzlich ist sie kühl, kalkulierend, effizient ...

-pucker-pucker-pucker-

Dann läuft alles an mir vorbei.
Ich sitze am Landungs-Monitor.
Ich gebe Daten durch.
Alles geht ... automatisch.
Ich treffe keine Entscheidung.
Ich weiß einfach, was zu tun ist.

Ein Servicebot sirrt vor uns auf der Rampe.
"Fol-gen Sie mir. Fol-gen Sie mir." quäkt er vor sich hin.
"War-ten Sie hier. Iden-ti-tät." - Sirrr -
"Dan-ke! Fol-gen Sie mir." - Sirrr -
"Hey, Moment ..." Cherryll streift mir das schwarze T-Shirt über, das sie im SoftPicMuseum kurz vor unserem Abflug gekauft hat.
"Hey Kleiner, spuck mal ein HardPic aus!"
"Nicht vor-ge-se-hen. Fol-gen Sie mir."
"Nicht vorgesehen?" Eine kleine Handbewegung.
Der Bot bleibt stehen wie angewurzelt. - Sirrr -
Aus einem seitlichen Slot quillt ein HardPic. - Sirrr -
Mein Auge puckert.
Ich bin verwirrt.

"Tolles Bild!" strahlt Cherryll.

Plötzlich sind wir von einem Dutzend Männer umringt.
Händeschütteln, Schulterklopfen, Stimmengewirr.
Wieder fühle ich mich wie ... abgeschaltet.
Cherryll strahlt in der Mitte der Männer, zwingt den Robot, noch ein HardPic auszuspucken. Die Männer lachen.
Ich ziehe das T-Shirt wieder aus.

Meine Verwirrung nimmt zu.
Ich sehe mich um.
Alles sieht alt aus, verkommen.
Alt? Antik!

Ich wandere langsam zu einem Metallhaufen, realisiere, daß es eine Art Fahrzeug ist.
Auf dem Rücksitz liegen Waffen. Alte Waffen. Modifiziert.
Alte Bestände der Legion.
Legion? Wieder puckert es über meinem Auge. Mein Kopf schmerzt.

Ich nehme eine der Waffen, setze mich auf den Schrotthaufen.
Meine Hände führen vertraute Bewegungen aus ...
Aus dem kühlen Metall strömen Erinnerungen.
Meine Erinnerungen?
Cherrylls Erinnerungen?
Cherryll ...
Wer IST Cherryll? ...

Ich schaue zu der Gruppe hinüber, finde Cherrylls Augen.
Sie funkeln mich an, Härte, Kälte -
Gedankenfetzen, Emotionen, Erinnerungen überschwemmen mein Gehirn ...

Ich bin wie gelähmt.
Alles um mich herum wird langsam, langsamer, Stimmen zerflattern ...
Ich höre Cherryll fragen:
"Sind Sie Commander Korvic?"
"Ja, bin ich" lacht der Mann.
Cherryll hebt die Hände, Metall blitzt auf.
Sie schießt dem Mann genau zwischen die Augen.

Alles ist erstarrt.

Cherryll springt hinter einige Felsen, klettert über einen anderen Wagen, taucht auf, hat eine andere Waffe in den Händen.
Die Männer erwachen aus ihrer fassungslosen Starre, beginnen zu schießen, zu schreien, werfen Granaten, Cherryll rennt, klettert, schießt, rennt, um sie herum detonieren Sand und Felsen.
Die Männer springen in die Fahrzeuge, ich werde brutal zurückgeschleudert, die Fahrzeuge rasen los.

Cherryll hat eine Anhöhe erreicht, doch plötzlich sind auch über ihr Männer. Sie wird zurückgetrieben.
Eine Wand aus Feuer rast über uns hinweg.
Ein Mann, schreiend, brennend, torkelt über die verbrannte Erde.

Die Männer haben Cherryl in eine kleine Schlucht getrieben.
Teilnahmslos verfolge ich die Treibjagd. Ich kann keinen Gedanken fassen. Ich fühle nichts. Nur der leise Hauch sich ankündigenden entsezlichen Verlustes.

Cherryll rennt in einen steinernen Tunnel.
Wir drängen alle durch den schmalen Eingang ...

Da steht Cherryll, mustert uns mit kalten Augen, lächelt.
Der Mann neben mir lächelt nicht.
Er hebt sein ultramodernes Pulsar-Gewehr.
Ein langer ununterbrochener Feuerstoß fetzt Cherryll in Stücke ...

Ich werde auf den Boden geworfen.

Augen und Waffen starren mich an.
Ein Mann schreit:
"Verdammt noch mal, X7!
Du bist gebaut worden, um diese Adrenalin-Booster zu KONTROLLIEREN!"

Cherryll? ... X7? ... Ich?
bin
so
verwirrt ...

/pa.eng