Betrachtungen eines Unpolitischen
Hmm ... alsdann, nehmen wir mal diese schwere Aufgabe in Angriff, jenseits von Sarkasmus und Zynismus zum gegenwärtigen Trubel Stellung zu nehmen. Ich tue das nicht, um irgendjemanden der hier zugegenen Poster zu verteidigen oder um andere anzugreifen, sondern nicht mehr und nicht weniger deswegen, um einen kurze Reflexion über das vorzunehmen, was sich für mich zu Beginn des Jahres 2002 als "die Awardszene" darstellt. Ein Begriff, der später noch einer Neubewertung zu unterziehen sein wird. Nichts davon muss unanfechtbare Wahrheit sein, sondern es ist nicht mehr und nicht weniger als meine eigene, subjektive, aber doch freie Meinung.
Zunächst einmal möchte ich jedoch die Gelegenheit wahrnehmen, meine Freude darüber auszudrücken, dass all die Leuts, die zur Zeit so voller Enthusiasmus die verschiedenen Awardforen, insbesondere die 3 im Moment meistfrequentierten, als da wären AIF, nfa und nun auch das [xxx]board, beackern, ganz offensichtlich allesamt Kinder des Glückes sind, ohne Leid, ohne große Not und mit einer gesicherten Existenz. Würden sie sich sonst neue Probleme künstlich schaffen, die es zu wälzen und zu bearbeiten gilt? Auch scheint zu Hause Harmonie Trumpf zu sein, woher käme sonst dieser unerklärliche Drang, woanders Dampf ablassen zu müssen!? Nun, es könnte natürlich auch gerade andersherum sein und dann wäre das Awardforum das vielbeschworene Ventil ... sei's wie es sei, ich habe ja keine Ahnung.
Nun aber doch mal zum Eigentlichen.
Es ist schon eine ganze Weile her - es muss irgendwann um 2000 gewesen sein, da postete ich ins WL Forum im Rahmen einer mal wieder von diversen Nicklichkeiten und Sticheleien durchsetzten Diskussion ein Posting, in welchem ich so meine Theorien darüber sponn, wie doch die Awardszene (die mir bekannt war) inzwischen kaum mehr durch den Grundgedanken des stupiden ich-gebe-award-du-nehme-award geprägt war, sondern dass hier eine Entertainment-Plattform entstand, vor allem das WL-Forum sah ich damals als das vorherrschende Mittel zur Realisierung dieser (Selbst-)Darstellungsplattform an, wo zumindest zum ersten Mal wie ich es in der Awardwelt mitbekam oft und immer öfter fern jeder die Grundprobleme einer Awardvergabe (welch ein langweiliges Wort, so ganz und gar unschillernd, unbrilliant) tangierenden Themen parliert, negiert, dargestellt, widerrufen wurden. Da nach und nach alles hereinkam, was den menschlichen Mikrokosmos der Eitelkeiten so ausmacht, hatten wir bald eine neue Definition der Awardszene - irgendeiner nannte es dann mal "Community" - das trifft es wirklich.
Zwei Jahre ist das bald her ... und wenn ich die Entwicklungen sehe bzw. das, was sich bis dahin getan hat, dann bleibt mir nur zu sagen: das damals war nicht wirklich Entertainment, das was es heute ist, das ist sie nun, die wahre Unterhaltungsmaschinerie.
Die letzten online gegangenen Projekte, allesamt keine langeiligen Indizes mehr wo schlichtweg ein Bildchen geführt wird und der Link zu der Seite, wo es zu erhalten sind, nein, die neuen Seiten, die Award-"Ressourcen" - sie sind die Tempel dieser neuen Unterhaltungsmaschinerie, sind die Privat-TVkanäle der Awardwelt.
Awardszene ... Awardwelt ... hm, je mehr ich drüber nachdenke kommt es mir so in den Sinn, dass dieses ganze Entertainmentsystem, dass sich inzwischen um den eigentlichen Vorgang eines Awardverleihs geschlossen hat, den Namen nur noch trägt, um der alten Historie Rechnung zu tragen, sozusagen eine Badische Anilin und Soda Fabrik, die längst nur noch das Akronym BASF trägt und statt dessen hochmoderne Chemieprodukte, Datenträger und anderes High Tech produziert statt Sprudelwasser.
[xxx], ich danke dir dafür, dass du den [xxx] erfunden hast - er war die logische Konsequenz einer Entwicklung, die sich nicht mehr für den - ganz einfach langweiligen, weil nicht unendlich diskutierbaren - Vorgang einer Awardvergabe dreht, sondern um das viel aufregendere Drumherum.
Ich sage an dieser Stelle: Alles, was ihr n i c h t auf euren Seiten habt, außerhalb dieser Rubriken mit den Awardgrafiken, den Gewinnerlisten, Bewerberstatuten - alles was hier vorgeht, alles was in den Foren diskutiert wird - es hat nichts, es hat garnichts mit Awards in der Grunddefinition zu tun.
Nein, es hat mich euch zu tun. Daher ist das hier nicht die Awardszene, es ist die Awardmaster-Szene. Es ist das Spielfeld, der sozialagitative Mikrokosmos einer Gruppe Menschen, die sich zufällig über das Produkt Award in einer gemeinsamen Interessensnische gefunden haben. Ihr seid die zerstrittenen Briefmarkensammler aus Hamburg Harburg mit dem arroganten einen Mitglied, der intrigenspinnende Dackelzüchterverein aus Baden-Baden, der kleine Boshaftigkeiten austauschende Paragliding-Verband in Rostock - ihr seid nur das, was alle menschlichen Individuen sind, die sich zu Interessensgemeinschaften zusammenfinden.
Wer hier Kopfschmerzen vortäuscht und das ständige Ende der deutschsprachigen Awardszene an die Wand malt hat nie verstanden was das hier, was dieses ganze Gerümpel hier in Wirklichkeit ist: eine Art loser Verein, der ein Rudel "Gleich"gesinnter umfasst. Ein Ort, eine Plattform um über ein gemeinsames Thema zu fachsimpeln, um hier und da ein wenig zu intrigieren, zu lästern, Bewunderung zum Ausdruck zu bringen, einfach alle Facetten menschlichen Sozialverhaltens zum Ausdruck zu bringen, wie es auch überall anderswo der Fall ist.
Gewiß, dies geschieht über ein neues Medium, es gibt viele interessante Besonderheiten, viele Innovationen - das macht es interessant. Und wenn ihr es mal hinterfragt: deswegen seid ihr hier. Nicht mehr wegen Awards.
Vielleicht nicht bewusst, aber irgendwie unterschwellig findet ihr Gefallen an diesem virtuellen Soziologieexperiment, das jeden Soz.-Professor, so er davon wüsste in Verzückung versetzen würde. Es ist schade, dass noch kein hoffnungsvoller Soziologiestudent die Award"szene" für seine Diplomarbeit entdeckt hat - wäre ich einer, ich hätte mein Thema schon gefunden. Ganz klar, hier geht es nur um die Unterhaltung. Oder nach Kurt Cobain: "Here we are now, entertain us". Was das Fernsehen zentral tun muss, wozu eine Show entworfen oder Sendekonzepte gemacht werden müssen, kann an dieser Stelle interaktiv und ungelenkt geschehen, die Awardbeschäftigung ist nur deshalb so ein guter Zeitvertreib, weil sie diesen großartigen Überbau hat, der nicht das geringste mit Awardvergabe, sehr viel aber mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun hat.
Schade, dass immer wieder Leute die zu uns stoßen glauben, diese "Award"szene beschäftige sich mit Awards. Das ist es halt, wenn der Inhalt nicht der Bezeichnung entspricht. Eigentlich beschäftigen wir uns mit Awardverleihern und -bewerbern. Awards an sich sind langweilig, das sind nur Bildchen. Aber die Letztgenannten, das sind Menschen. Mit denen kann man reden, sie loben, sie schelten, sie angreifen, sich streiten und sich versöhnen. Wer noch einmal die soziale Komponente im Netz vermisst, dem "pump ich aber eine", um mit den Worten meines Stiefvaters zu reden.
Und bitte, wer will Friede-Freude-Eierkuchen haben? Klar lebt so eine Community in erster Linie vom Stunk. Richtig unterhaltsam wird es erst, wenn es Reibepunkte gibt. Mich haben Talkshows nie interessiert, wo so was künstlich und gelenkt geschieht. Aber das hier, das ist natürlich, das ist alles echt und spontan, deswegen macht es mir Spaß. Leute, wieso heult ihr eigentlich alle über den momentanen Umgangston? Ihr, die ihr hier postet, ihr habt ihn selbst geprägt, alle anderen Awardleute, die hier nicht vorbeischauen, die kümmert doch der Umgangston in den Foren, nein, in "unseren" Foren einen feuchten Kehricht. Das, was hier existiert und was hier geschaffen worden ist, ist das Werk unserer Community, unserer großen Helden und bösen Jungs, die wir erst dazu machen, es ist eine Gesellschaft im Kleinen, mit all ihren Originalen und Bösewichten, all ihren kleinen Lösungsansätzen und Problemen, ein Westentaschenformat einer menschlichen Gesellschaft - und weil virtuell so wunderschön anpassbar, ambivalent nutzbar und ausbaufähig.
Nein, ihr seid nicht die Awardszene im Buchstabensinne, ihr und ich, wir sind nichts weiter als ein Grüppchen von vielleicht maximal 20, 30 Leutchen, die zufällig den besonderen Reiz entdeckt haben, wenn man einfach mal daran geht, über das Prozedere sich für Awards zu bewerben und welche zu verleihen herauszugehen, indem man Beziehungen zu den jeweiligen anderen Interessensgenossen knüpft, Kontakte baut, sowohl freundschaftlicher als auch kritischer Natur. Also kann die Awardszene auch nicht untergehen, wenn wir uns mal wieder fetzen, die Awardszene, die wirkliche Awardszene ist ein viel größerer, nicht wirklich greifbarer Korpus, einem Ozean gleich welcher selber in einem Ozean ist - und in beidem sind wir nur ein verschwindend kleiner Fleck.
Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass dies alles hier, dieses öffentliche Tun und all die Grundsatzdiksussionen, die nicht enden wollenden Streitdispute nichts mit dem Umstand zu tun haben, Awards zu verleihen. Vor ein paar Monaten hätte ich wohl auch noch den Kopf geschüttelt und gefürchtet, oh mein Gott, wo führt der Weg der "Szene" nur hin. Aber schließlich und endlich - keiner braucht sich ja das Theater hier zu geben. Freiwillig ist es, und das ist der Knackpunkt. Ich kann glücklich und zufrieden Awards verleihen ohne mich jemals mit diesen Themen auseinandersetzen zu müssen. Ich brauche keinen Ritter gegen die Gralsherrlichkeit, ich kann still zu zufrieden in dem einen oder anderen Index sitzen, mir können all die Trends und das Geschrei um Negativliste, Awardabmessungen und Ablehnungsnetiquette schnuppe sein, ich kann auf immer auf meinem Standpunkt "wer um Himmels willen braucht bei einem Awardprogramm ethische Grundwerte" verharren - all das kann ich vergessen, wenn ich wirklich nichts weiter will als netten Leute mit netten Seiten nach meinem Ermessen Bildchen zukommen lassen möchte.
Hmm ... aber will ich denn? Will ich auf den ganzen Spaß verzichten, will ich mir mein Entertainment nehmen lassen? Keineswegs. Ich bin einer der größten Fans der Award-"Show", wie ich sie hier mal definieren möchte, ich liebe ihr ständig wechselndes Drehbuch, die immer neuen Spannungsbögen, die raffinierten Plots und natürlich die überraschenden Enthüllungen, wenn mal wieder eine neue Intrige ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat und oute mich hiermit ganz offen als echter Award-Voyeur.
The show must go on. Viele werden sicher nur mit Kopfschütteln auf dieses Essay hier reagieren, einige sind sauer, andere beleidigt - nun aber warum? Es handelt sich nur um meine Sichtweise der Dinge. Und schließlich und endlich empfinde ich große Sympathie für all diejenigen, die - ob nun bewusst oder unbewusst - der Show hier beiwohnen und sie unentwegt weiter fortgestalten und spannend halten. So wie ich das nun mit diesem weiteren kleinen Mosaiksteinchen tue, das sicher wieder der eine oder andere für kommentierenswert erachtet.
Es soll schon vorgekommen, das Awardmaster so von der Show davongetragen wurden, dass sie ihr eigentliches Awardprogramm gänzlich darüber vergessen haben und nur noch in der Show leben. Andere haben die Gesetze des Entertainmentzirkels nie verstanden oder nicht gemocht und sich entsetzt zurückgezogen. Von den Verbliebenen würde ich doch schon erwarten, dass sie kurz mal in sich gehen und sich fragen, warum sie das hier alles machen. Wirklich alles nur der lieben Awards wegen ...!? Ich kann's mir einfach nicht vorstellen.
Dies ist die Bühne für unser Theaterstück. Das ganze Leben ist ein Schauspiel, und nicht anders verhält es sich mit dieser Inszenierung, die sich mal als Tragödie, mal Lustspiel, mal Posse und mal Parabel gibt. Unterhaltend ist es allemal. Weil sie sich selbst fortschreibt. Weil jeder gleichsam Autor und Protagonist ist. Aber Awards ... die suche ich dort vergebens.
Nun, seitdem ich zu diesem Schluss gekommen bin ist beinahe ein wenig die Spannung aus der Sache raus, da ich ja eigentlich weiß, dass nichts mehr kommen wird, was mich wirklich überrascht. Somit reduziert sich der ganze Zirkus um den Awardzirkus hin und wieder auf eine gewisse morbide Faszination an den Gesetzen der Unterhaltungsmaschinerie und den Vorgängen wie auch immer gearteter zwischenmenschlicher Interaktion, gepaart mit dem Spaßfaktor über letztlich doch unerwartete neue Wendungen kleinerer Natur.
Diese jedoch möchte ich um keinen Preis missen. Dies ist eine Show, die ich anfassen, mitleben, mitgestalten kann, und in der man selbst Rollen spielen kann, Haupt- oder Nebenrollen, je nachdem wohin einen der Eifer treibt. Oder doch nur Zuschauer bleiben, sich am Drehbuch des zufälligen Ereignisses erbauen und ab und an altkluge Weisheiten in die Foren schmettern.
Kurz und gut. Spaß macht's, und dafür danke ich euch. Allein Awards zu verleihen wär' mir inzwischen viel zu langweilig, es gäbe nichts zu bereden, nichts zu manifestieren, dozieren, indoktrinieren - es wäre leer in den Foren. Die Show ist heuer der Selbstzweck und braucht den Webaward eigentlich nicht mehr. Dennoch - gerne kehre ich auch immer wieder in meine Awardrubrik zurück und "mache einfach mein Zeug", um den neuen Shootingsstar Sven Hannawald zu bemühen. Beides macht mir Spaß.
Immer noch.
Fabian L.